
Kreatin – nicht nur stark für die Muskeln
Kreatin ist eine natürliche Substanz, die unser Körper aus drei Aminosäuren und weiteren Nährstoffen selbst herstellt und vorwiegend im Muskelfleisch aller Säugetiere vorkommt. Über die Nahrung wird also Kreatin nur dann in nennenswerter Weise aufgenommen, wenn Muskelfleisch gegessen wird. Aufgrund der eigenen Synthese gilt Kreatin aber trotzdem nicht als essenzieller Nährstoff, denn von sehr seltenen genetischen Krankheiten abgesehen, gibt es selbst bei fleischfreier Ernährung keinen klassischen Mangel an Kreatin in unserem Körper.
Im Gegensatz zu essenziellen Stoffen, wie Vitamin C, bei denen die Behandlung des Mangels zu einer Verbesserung bestimmter Funktionen führt, lassen sich die Kreatinspeicher der Muskeln über den Verzehr von Fleisch oder als Supplement um ca. 30% steigern. Während für essenzielle Stoffe eine Übererfüllung des Mangels nicht mit gesundheitlichen Vorteilen einhergeht, unterstützt insbesondere eine moderate Supplementierung von um die 3 g Kreatin täglich die muskuläre Leistungsfähigkeit nachweislich.
Während es in der Werbung von nicht belegbaren gesundheitlichen Behauptungen nur so wimmelt, kann sich Kreatin seit 2016 mit folgender Schlussfolgerung der European Food Safety Authority (EFSA) schmücken:
„Die tägliche Zufuhr von Kreatin kann die Auswirkungen eines Krafttrainings auf die Muskelkraft bei Erwachsenen über 55 Jahren verstärken. Um diesen Effekt zu erzielen, sollten drei Gramm Kreatin täglich konsumiert werden in Verbindung mit einem progressiven Training.“ ^1
Der Kraft- und Muskelverlust im Altersgang verstärkt nicht nur viele orthopädischen Beschwerden, sondern ist auch maßgeblich für viele stoffwechselbedingte Erkrankungen wie Diabetes Typ 2. Deshalb ist der Aufbau oder Erhalt der Muskelmasse und deren funktioneller Fähigkeiten entscheidend für eine möglichst lange gesundheitliche Lebensspanne. Kreatin kann also in Kombination mit Krafttraining eine echte Quelle für Anti-Aging sein, weshalb es eigentlich mehr eine Substanz für Ältere als für Jüngere sein sollte.
Der Durchbruch des Kreatins als Supplement
Im Sport ist Kreatin seit den 1990er Jahren bekannt geworden, weil es insbesondere in den Sprintdisziplinen zu Leistungsverbesserungen führte. Das ist auch nicht verwunderlich, denn als Kreatinphosphat steht es jederzeit für die sofortige Erneuerung von ATP zur Verfügung. Adenosintriphosphat ist die universelle Währung aller Energievorgänge in den Körperzellen, deren Speicher aber nur für wenige Sekunden ausreichen würden. Da Kreatin zusammen mit ATP die höchsten muskulären Leistungen möglich macht, verlängern größere Kreatinspeicher deshalb kurzzeitige hohe muskuläre Anforderungen im Sport und Krafttraining.
Wie bereits im Text erwähnt, empfiehlt die EFSA täglich 3 g Kreatin. Entgegen der weitverbreiteten Praxis einer Ladephase mit 4 mal 5 g Kreatin in der ersten fünf Tagen weist Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing daraufhin, dass dies keinen Vorteil gegenüberüber einer moderaten und konstanten Supplementierung hat, weil sich die Speicher dadurch nicht schneller füllen. Im Gegenteil erhöht das die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden und Durchfall insbesondere bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr. Zudem können größere Mengen an Kreatin die Eigensynthese stören, was nicht gewünscht ist.
Das liegt daran, dass circa maximal 2 g Kreatin pro Einzeldosis vollständig aufgenommen werden können. Je höher die Einzeldosis darüber liegt, umso größer wird die relative Ausscheidung sein. Wer die Aufnahme des Kreatins optimieren will, sollte deshalb die Tagesdosis in zwei Portionen aufteilen. Kreatin ist insbesondere gut in warmen Flüssigkeiten löslich und kann als geschmackslose Substanz einfach in Wasser oder auch in Tee und Kaffee gelöst werden. Das Kreatin wird dadurch nicht in seiner Wirkung beeinträchtigt. Wem das zu umständlich ist, kann natürlich das Kreatin auch nur einmal täglich nehmen. Nach dem Training oder zu den Mahlzeiten ist ein günstiger Zeitpunkt.
Kreatin ist dagegen kein Booster für das Training, weshalb eine Einnahme vor dem Training keinen unmittelbaren Nutzen hat. Die anabolen Wirkungen des Kreatins entfalten sich mit der Anreicherung der Kreatinspeicher in den Muskeln, weil dies über mehrere Mechanismen die Proteinsynthese triggert. Deshalb ist es auch ratsamer dauerhaft eine konstante und passende Menge an Kreatin zu supplementieren, anstatt es temporär mit Ladephasen zu konsumieren. Es sind bei angemessener Dosis keine Nebenwirkungen zu erwarten.
Die von der EFSA genannten 3 g täglich beziehen sich auf einen durchschnittlichen Menschen und sind ein guter Ausgangswert für die Supplementierung. Noch genauer lässt sich der Tagesbedarf abschätzen, indem die Muskelmasse und die Ernährung berücksichtigt werden, weil 95% des Kreatins in den Muskeln gespeichert werden und ungefähr 0,4 g pro 100 Gramm Muskelfleisch aufgenommen werden. Auf die Muskelmasse bezogen gibt es also keine geschlechtsspezifischen Unterschiede, weshalb sowohl für Frauen als auch für Männer die beiden eben genannten Kriterien für die Ermittlung der Tagesdosis ausreichen.
In Anlehnung an Prof. Gießing folgt hier die Abschätzung des Tagesbedarfs:
Bei einer durchschnittlicher Muskelmasse von um die 33 kg und gelegentlichem Fleischessen sind 3 Gramm ausreichend. Wer dagegen eine leicht überdurchschnittliche Muskelmasse um die 40 kg hat, steigert den Wert um 0,5 g bzw. um ein Gramm bei einer weit überdurchschnittlichen Muskelmasse von 45 – 50 kg. Umgedreht reduziert sich der Bedarf jeweils um 0,5 g pro 7 kg weniger Muskelmasse.
Bei vegetarischer und veganer Ernährung erhöht sich der Bedarf um ca. 0,5 g, während eine fleischhaltige Ernährung den Bedarf um ca. 1 -2 g senkt, da als Faustformel von Hering abgesehen die meisten Fleischsorten ungefähr 0,3 bis 0,5 g Kreatin auf 100 g enthalten. In Wurst ist deutlich weniger Kreatin vorhanden.
Welches Kreatinpräparat ist empfehlenswert?
Nahezu alle Studien wurden mit Kreatin Monohydrat durchgeführt und es gibt keine Belege dafür, dass andere Kreatinprodukte wirksamer wären. Es ist zudem sehr lange haltbar, relativ gut löslich und das preiswerteste Kreatinsupplement.
Unter der Bezeichnung Creapure wird Kreatin aus Deutschland vermarktet. Es ist aufgrund des hohen Reinheitsgehalts von 99,99 % bekannt als „German Creatine“ und gilt weltweit als Goldstandard, weil es keine unerwünschten Rückstände und Begleitsubstanzen enthält.
Hinweis bei ärztlichen Blutuntersuchungen
Wenn eine Blutuntersuchung erfolgt, informiere bitte deinen Arzt oder Ärztin darüber, denn bei Kreatineinnahme kann der Kreatininwert im Blut erhöht sein. Das passiert insbesondere dann, wenn mehr Kreatin zugeführt wird als in die Zellen eingelagert werden kann, denn das überschüssige Kreatin wird zu Kreatinin in den Nieren abgebaut. Und da eine Niereninsuffizienz auch zu erhöhten Kreatininwerten führt, könnte dies fälschlicherweise mit einer Nierenschädigung verwechselt werden.
Die Messung von Cystatin C ist im Gegensatz zu Kreatinin unabhängig von der Muskelmasse und einer Supplementierung, so dass so eine normale Nierenfunktion festgestellt werden kann.
Praktisches Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass Kreatin neben positiven Effekten auf die Muskeln vermutlich weitere wichtige Funktionen bei mehreren Stoffwechselprozessen hat, die für ein gesundes Altern verantwortlich sind. Allerdings lässt sich dieses Potential nur mit einer aktiven Lebensweise und insbesondere Krafttraining entfalten.
Für weitere Informationen empfehle ich das Buch von Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing „Kreatin“ – eine natürliche Substanz und ihre Bedeutung für Muskelaufbau, Fitness und Anti-Aging.
^1 EFSA Panel of Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) (2016).
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