· 

Die Steinzeitdiät - was steckt hinter dem Paleo Trend?

youtube-Video

Gibt es eine natürliche oder „artgerechte“ Ernährung?

Die Vertreter der Paläodiät oder Steinzeitdiät nehmen für ihre Ernährungsempfehlungen in Anspruch, dass sie aus der evolutionären Vergangenheit wüssten, was wir heute essen sollten...

 


Gibt es eine natürliche oder „artgerechte“ Ernährung? - Die Paleo Diät unter der Lupe

Die Vertreter der Paläodiät oder Steinzeitdiät nehmen für ihre Ernährungsempfehlungen in Anspruch, dass sie aus der evolutionären Vergangenheit wüssten, was wir heute essen sollten. Da wir die längste Zeit als Jäger und Sammler gelebt haben, wäre unser Körper oder die Gene noch vorwiegend an das damalige Umfeld der Nahrung angepasst. Und weil wir heute nicht mehr artgerecht essen würden, bekämen wir in Form der Zivilisationskrankheiten dafür die Quittung.

Was haben unsere Vorfahren gegessen? Artgerecht und natürlich?

Diese Frage lässt sich nur unzureichend beantworten, weil aus alten Knochenfunden nur sehr eingeschränkt und indirekt das tatsächliche Ernährungsverhalten bestimmt werden kann. Da die Jäger und Sammler des 19. und 20. Jahrhunderts sich noch primär von Wildpflanzen und Wildtieren ernährten, dienen diese als Modell für eine Steinzeitkost.

Was haben die Jäger und Sammler gegessen? - und was Paleo bedeutet

Natürlich das, was jahreszeitlich und lokal verfügbar war. Der Anteil der pflanzlichen und tierischen Nahrung unterliegt dabei einer sehr großen Variation, weil im hohen Norden vorwiegend Tiere und Fische als Nahrungsquelle in Frage kommen, während um den Äquator herum der Anteil der gesammelten Pflanzen einen beträchtlichen Anteil der Nahrungskalorien ausmacht. Bei der Analyse von hunderten verschiedenen Völkern betrug der pflanzliche Anteil der Nahrung zwischen 0 bis 90 % und der tierische Anteil lag bei 10 – 100 %.

Wenn der tierische Anteil der Nahrung hoch ist, dann ist der Proteingehalt entsprechend höher. Die beiden anderen Makronährstoffe Fett und Kohlenhydrate schwanken natürlich ebenso beträchtlich, je nachdem ob mehr fettreiche Nüsse und Fische auf der Speisekarte stehen oder stärkehaltige Knollen und süßere Früchte verzehrt wurden.

 

 

Quelle Abb. 1: Evolutionäre Ernährungswissenschaft und ,steinzeitliche‘ Ernährungsempfehlungen – Stein der alimentären Weisheit oder Stein, Teil 2: Ethnographische Befunde und ernährungswissenschaftliche Implikationen, Alexander Ströhle und Andreas Hahn, Abteilung Ernährungsphysiologie und Humanernährung, Institut für Lebensmittelwissenschaft, Zentrum Angewandte Chemie der Universität Hannover

 

Fazit - Bedeutung "artgerecht" und "natürlich"

Als Fazit lässt sich festhalten:  Es gab sehr viele verschiedene Arten sich artgerecht zu ernähren, weil das lokale Nahrungsangebot je nach Ort und Zeit sich ständig veränderte. Zudem passen sich Organismen nicht einfach einer unveränderlichen Umwelt an, sondern Organismen und Umwelt machen eine gemeinsame Evolution durch. Sie sind nicht einfach nur ein Objekt der Evolution, sondern in ihrer Nische wirken Organismen auf die Umwelt zurück.

Das betrifft besonders auf den Menschen zu, denn von Anfang an führten Werkzeuggebrauch und neue Kulturtechniken zu einem größeren und immer wieder neuen Spektrum an Nahrung. Zum Beispiel erhöht Kochen die Verfügbarkeit und Verdaulichkeit vieler Wildpflanzen, die man vorher gar nicht essen konnte.

Abgesehen von dem Problem, dass viele Milliarden Menschen keine wilde Pflanzen und Tiere essen können, weil es davon schlicht viel zu wenige gibt, lässt sich festhalten, dass Menschen als Allesfresser einen sehr großen Rahmen haben, welche Ernährung gut genug für sie ist. Denn die Evolution kennt nicht eine optimale oder perfekte Anpassung, sondern diese muss nur gut genug sein, damit die Gene an die nächste Generation weitergegeben werden können.

Unsere Nahrung hat sich von Anbeginn der Menschwerdung ständig verändert und wird sich auch weiter verändern. Deshalb kann es auch keine natürliche oder artgerechte Ernährung geben. Deshalb hilft der Blick in die weite Vergangenheit nicht, was ich heute konkret essen soll. Das was als Steinzeitdiät propagiert wird, spiegelt stattdessen unsere zeitgenössische Ernährungsmode wider. Das lässt sich unter anderem sehr gut daran erkennen, dass bis zur Jahrtausendwende Fett als primärer Verursacher von Herzkreislauferkrankungen galt. Deshalb wurde bei der Steinzeitdiät mit mageren Wildtieren argumentiert. Seitdem aber Fett weitgehend von diesem schlechten Image befreit wurde, kam entsprechend eine fettreichere Steinzeitdiät in Mode.

 

Quelle Abb. 2: Evolutionäre Ernährungswissenschaft und ,steinzeitliche‘ Ernährungsempfehlungen – Stein der alimentären Weisheit oder Stein, Teil 2: Ethnographische Befunde und ernährungswissenschaftliche Implikationen, Alexander Ströhle und Andreas Hahn, Abteilung Ernährungsphysiologie und Humanernährung, Institut für Lebensmittelwissenschaft, Zentrum Angewandte Chemie der Universität Hannover

Literaturempfehlung