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Warum Kaloriensparen selbstzerstörerisch sein kann?

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Das drastische Beispiel "Minnesota Starvation Experiment" zeigt, dass der lapidare Ausspruch zu „Friss die Hälfte oder FdH“ über einen längeren Zeitraum nicht durchhaltbar und selbstzerstörerisch ist. Unter kontrollierten Bedingungen und ohne Selbstbetrug muss unser Körper sich selbst schrumpfen und alle nicht lebensnotwendigen Aufgaben herunterfahren, um so möglichst viel Energie fürs Überleben zu sparen. Deshalb führt Energiemangel u.a. auch zu Antriebslosigkeit.


Minnesota Starvation Experiment

Ein berühmtes Experiment am Ende des Zweiten Weltkriegs demonstriert auf erschütternde Weise die furchtbaren Auswirkungen des Hungerns auf unseren Körper und Geist. Für das Minnesota Starvation Experiment konnte Dr. Ancel Keys 36 freiwillige Armeeangehörige gewinnen. In den ersten zwölf Wochen mussten die Teilnehmer pro Woche ungefähr 35 Kilometer gehen und zusätzlich 15 Stunden typische zum Lebensunterhalt gehörende Aufgaben wie Essen vorbereiten und Holz hacken ausführen. Dazu bekamen die Männer eine Einheitskost von 3.200 kcal, um ihren Energiebedarf zu decken. In dieser Erhaltungsphase wurden durch das Team von Keys alle erdenklichen Körperparameter gemessen, wie z. B. Größe, Gewicht, Körperfettmaße, Ausdauer, Kraft, Blutwerte, Sperma, psychische Verfassung, etc.

 

Am 12. Februar 1945 wurden die Essensrationen halbiert. Die Männer mussten für 24 Wochen mit 1.570 Kalorien auskommen und waren weiterhin gezwungen, die oben beschriebene körperlichen Aufgaben zu erledigen. Erst mit dem Verlust von 25% des Startgewichts endete für sie das Martyrium und nach weiteren 12 Wochen der schrittweisen Erhöhung der täglichen Essensrationen verließen die Teilnehmer im Oktober 1945 das Camp.

 

Es dauerte fünf Jahre, um die Fülle an Daten auszuwerten und zu publizieren. Hier kommen die spannenden Resultate, die die verheerenden Auswirkungen einer längeren und drastischen Hungerphase zeigen:

Wenig überraschend verloren die normalgewichtigen Männer 70% ihres Körperfetts. In absoluten Zahlen ausgedrückt, stürzten ihre Fettreserven um sieben Kilo auf nur noch durchschnittlich 3 Kilo Körperfett ab. Das war aber leider nicht alles, denn auch die Muskeln und inneren Organe wurden massiv geschrumpft. Der Muskelanteil sank um 40% und die Organe Herz, Leber und Nieren verloren knapp 20% ihrer Substanz. 

 

Neben der Schrumpfung vieler Gewebe wendet unser Körper eine zweite Strategie zum Energiesparen ein: Die Reduzierung von nicht lebensnotwendigen physiologischen Funktionen. Also, die Herzrate reduzierte sich um ein Drittel. Ebenso sank die Körpertemperatur um 1,5 Grad auf 35,5 Grad, so dass die Männer auch in wohltemperierten Räumen froren. Weiterhin verringerte sich die die Anzahl der Spermien und das sexuelle Interesse der Männer erlosch. Die Haut wurde fleckig, produzierte weniger roter Blutkörperchen und sogar die Bildung von Ohrschmalz nahm ab. Die Gruppe wurde lethargisch, reizbar und deprimiert, so dass sich diese auch tagsüber, wenn möglich, in ihren Betten ausruhten. 

 

Zugenommen erklären beide Mechanismen, warum die Reduzierung des Grundumsatzes deutlich höher liegt, als es durch den Verlust von 25% des Körpergewichts zu erwarten wäre. Dieser fiel nämlich um ca. 40%, also von 1.590 kcal auf nur noch 964 kcal. Das entspricht dem Grundumsatz eines achtjährigen Kindes mit 25 Kilo Körpergewicht!

Fazit des Kaloriensparens

Dieses drastische Beispiel führt beeindruckend vor Augen, dass der lapidare Ausspruch zu „Friss die Hälfte oder FdH“ über einen längeren Zeitraum nicht durchhaltbar und selbstzerstörerisch ist. Unter kontrollierten Bedingungen und ohne Selbstbetrug muss unser Körper sich selbst schrumpfen und alle nicht lebensnotwendigen Aufgaben herunterfahren, um so möglichst viel Energie fürs Überleben zu sparen. Deshalb führt Energiemangel auch zu Antriebslosigkeit, um unnötige physische Aktivität zu unterbinden. Wir wirken und sind dadurch leb- und reglos. 

Wichtig

Damit unser Körper optimal funktioniert, brauchen Männer ungefähr einen Körperfettanteil von 10 – 25%. Bei Frauen liegt die Spanne ungefähr gute 5 Punkte höher, weil schwanger sein und Babys stillen sehr energieintensiv sind. Körperfett ist also kein Luxus oder unnötiger Ballast, den wir mit der richtigen Einstellung bewusst steuern könnten, sondern unsere Körper brauchen genügend Körperfett, damit unsere Gehirne genügend Energie in die Bereiche Erhaltung, Wachstum, Bewegung und Fortpflanzung leiten. 

 

Merke

Energiesparen wie längere Reduktionsdiäten und Fasten sind also nicht nur ein sinnloses, sondern auch ein selbst zerstörerisches Unterfangen, weil unsere Körper bei Mangel eben nicht nur die Fettreserven schmelzen, sondern auch die fettfreien Gewebe heranziehen und unsere Vitalität herabsetzen. (Anmerkung: Bei hohem Körperfettanteil und kranken Stoffwechsel kann initial ein höheres Minus in der Energiebilanz zeitweilig angezeigt sein.) 

Warum gibt es den Jojo-Effekt? Der Körper will das fettfreie Gewebe zurück und wieder genügend Energie für alle Aufgaben des Körpers zur Verfügung haben. Und dazu gehört auch ein ausreichender Körperfettanteil! Deshalb steigert das Gehirn den Hunger und reduziert die Sättigung bis mindestens das alte Gewicht wieder da ist. Tendenziell neigt es sogar eher dazu, mehr Körperfett haben zu wollen, damit es zukünftig besser auf magere Zeiten vorbereitet ist!

Die entscheidende Frage lautet also: Welche Bedingungen brauchen Menschen für einen angemessen und gesunden Körperfettanteil, bei dem sie ohne Qual und Kalorienzählen normalgewichtig bleiben?

Die von uns geschaffenen westlichen Umwelten verstellen diesen Sollwert deutlich nach oben, so dass vor allem mit dem Erwerbsleben eine schleichende Zunahme des Körpergewichts verbunden ist. Während junge Erwachsene noch zu ungefähr 80% normalgewichtig sind, sinkt dieser Anteil mit dem Eintritt ins Rentenalter auf ein Drittel ab. 

Im nächsten Blogbeitrag stelle ich euch diese Bedingungen vor und was ihr tun könnt.