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Ernährungsgeschichten

Ja, mit bestimmten Lebensmitteln ist es praktischer und einfacher, sein Gewicht zu halten oder gar langsam Körperfett zu verlieren. Das liegt aber nicht daran, dass diese Lebensmittel auf geheimnisvolle Weise das Naturgesetz der Energiebilanz außer Kraft setzen können, sondern dass ballaststoffreiche Lebensmittel die Aufnahme der Nahrungsenergie bremsen, Eiweiß besser sättigt und besonders Gemüse so kalorienarm ist, dass man schlicht davon nicht zu viel essen kann.                                                                                                                                                                          


Storytelling - Von Lichtgestalten und Bösewichten

Der Historiker Christopher Clark oder der Physiker Harald Lesch wissen in ihren Dokumentationen beeindruckend über ihre Fachgebiete zu berichten. Beim Essen und Trinken fällt mir aber kein Ernährungswissenschaftler ein, der einer größeren Öffentlichkeit sein Metier differenziert erläutert. Stattdessen übernehmen diese Aufgaben in den etablierten Medien hauptsächlich PR-Textschreiber, Journalisten, Ärzte und fachfremde Wissenschaftler.

 

Über Ernährung wird das berichtet, was den Logiken des Journalismus und unseren Wünschen entspricht. Es muss also eine Neuigkeit sein, die wir interessant und verständlich finden. Und das sind vor allem Ernährungs-Geschichten, die von Superfoods und süchtig machenden Stoffen handeln, die uns entweder schlank und gesund oder eben fett und krank machen.

 

Ein anschauliches Beispiel dafür findet sich im PR-Text meiner aktuellen Fernsehzeitschrift. Dort erfährt die abnehmwillige Leserin, dass die Bikinifigur auch ohne strenge Diät erreichbar sei, wenn sie die Bösewichte Zucker und Kohlenhydrate weglässt und stattdessen eiweißreiche Lebensmittel und gesunde Fette bevorzugt. Und weiter erklärt uns die PR-Texterin, dass Eiweiß nicht nur gut sättigt, sondern auch Fettpölsterchen entgegenwirkt, indem es den Stoffwechsel zusätzlich auf Touren bringt. Und dann fährt sie fort: „Bei der Verwertung von Eiweiß produziert der Körper Wärme, und diese lässt die Fettzellen schmelzen. Und keine Angst vor Fett! Das unterstützt ebenfalls den Stoffwechsel, schützt vor Heißhungerattacken und liefert Energie.“ Dementsprechend seien auch Nüsse, Hüttenkäse, Hülsenfrüchte, Avocados und Eier ideal zum Abnehmen, so dass die Pfunde im Nu purzeln.

 

 

Gerne wollen wir hören, dass es doch nicht so schwierig ist abzunehmen und dazu einfach nur bestimmte Lebensmittel bevorzugt und gemieden werden müssen. Die Sache hat nur einen Haken: Es ist trotzdem nicht leicht und funktioniert auch nur selten nachhaltig.

Fett und Eiweiß hui und Zucker und Kohlenhydrate pfui

Die obige Ernährungsgeschichte ist zum Mainstream geworden und hat die Verteufelung von Fetten abgelöst. Wenn dieser Ansatz aber tatsächlich so einfach wäre, dann hätte sich der ungebrochene Trend des steigenden BMI in der westlichen Welt nicht fortsetzen dürfen, denn seit ca. 50 Jahren ist der Zuckerkonsum in den westlichen Ländern nahezu unverändert geblieben und in manchen wie den USA, Niederlanden und Australien sogar gesunken.

 

Selbstverständlich nimmt man mit Hüttenkäse und Hülsenfrüchten leichter als mit Zucker und Weißmehlen ab. Aber genauso verhält es sich auch mit Nüssen und Karotten. Während es praktisch unmöglich ist, zu viel Nahrungsenergie durch den Verzehr von Möhren aufzunehmen, trifft dies natürlich nicht auf Nüsse zu. Ich liebe sie auch, aber ideal zum Abnehmen sind die bestimmt nicht.

Der Elefant im Raum

Bas Kast, der den Ernährungsbestseller „Ernährungskompass“ geschrieben hat, greift das Kaloriendogma an und behauptet als Wissenschaftsredakteur, dass es Lebensmittel gebe, bei denen ein größerer Verzehr zu weniger Körperfett führen würde. Seiner Ansicht helfen also Joghurts, Nüsse, Vollkornprodukte, Obst und Gemüse beim Abnehmen.

 

Obige Lebensmittel sind ballaststoff- oder eiweißreich und von den Nüssen und bedingt den Vollkornprodukten abgesehen kalorienarm, so dass sie gut sättigen und zusammen eine geringe Kaloriendichte haben. Und na klar nimmt oder hält Frau oder Mann ihr Gewicht damit einfacher als mit Käsekuchen oder anderen kalorienreicheren Speisen. Des Weiteren plädiert Bas Kast für längere Essenspausen, möglichst wenig unverarbeitete Lebensmittel, den Verzicht auf alle zuckerhaltigen Fertigprodukte sowie andere Zucker-Fettmischungen und einem bewussteren Einkauf, Zubereitung und den Genuss der Speisen.

 

 

Wer sich an solche Regeln hält, nimmt wenig überraschend leichter ab oder hält sein Gewicht, weil schlicht weniger Nahrungsenergie aufgenommen wird. Das widerspricht also gerade nicht dem Kaloriendogma, denn mit besser sättigenden Lebensmitteln und reduzierter Energiedichte ist das einfacher zu erreichen. Aber es ist völlig übertrieben so zu tun, als ob Abnehmen dadurch einfach wäre oder dass man gar nicht zu viel davon essen könnte. Dadurch lügt man sich selbst gerne in die Tasche und isst zu viele von diesen scheinbar super gesunden Lebensmitteln. Und auch wenn die nährstoffreich sind, ändert das nichts daran, dass dauerhaft zu viel Nahrungsenergie Zivilisationskrankheiten begünstigt.

Fazit

Ja, mit bestimmten Lebensmitteln ist es praktischer und einfacher, sein Gewicht zu halten oder gar langsam Körperfett zu verlieren. Das liegt aber nicht daran, dass diese Lebensmittel auf geheimnisvolle Weise das Naturgesetz der Energiebilanz außer Kraft setzen können, sondern dass ballaststoffreiche Lebensmittel die Aufnahme der Nahrungsenergie bremsen, Eiweiß besser sättigt und besonders Gemüse so kalorienarm ist, dass man schlicht davon nicht zu viel essen kann. Je größer Anteil dieser Lebensmittel gegenüber Süßigkeiten und schnell verfügbaren Energiequellen ist, umso besser funktioniert das.

 

Aber auch für Nüsse und Co gilt, dass zu viel davon, eben nicht gesund ist, denn auch deren Nahrungsenergie landet auf den Hüften! Und beachtet ebenfalls das primär der ganze Lebensstil entscheidend für unser Wohlbefinden und Gesundheit ist und nicht einzelne Lebensmittel uns in den Himmel oder die Hölle bringen!